Zum Auftakt des Jahres 2022 wurden die Fraktionsvorsitzenden der Kreistagsfraktionen von der PNP interviewt. Dazu wurde vom FDP-Kreisvorsitzenden Konrad Kammergruber folgendes Statement abgegeben (im Altöttinger Anzeiger vom 22.01.2022 erschien eine kürzere Fassung):
Das zweite Pandemiejahr liegt hinter uns. Wie beurteilen Sie 2021?
Es war ein hartes Jahr für alle Beschäftigten in Krankenhäusern und im Pflegeumfeld. Ich sehe es als Übergangsjahr in eine pandemiefreiere Zeit. Weil wir über große Strecken bereits coronafrei waren, im Sommer und Herbst. Und weil man zunehmend Erfahrung aufbauen konnte im Umgang mit Corona. Leider trafen die Annahmen für die Impfbereitschaft und die Wirksamkeit der Impfstoffe nicht ganz ein. Im Nachhinein weiß man vieles besser. Die liberale Linie war durchwegs bei allen Maßnahmen Augenmaß, Verhältnismäßigkeit, Rechtmäßigkeit und parlamentarische Kontrolle walten zu lassen.
Es ist erfreulich und erstaunlich, dass trotz der teilweisen harten Einschränkungen für manche Wirtschaftsbereiche im Endergebnis gute finanzielle Ergebnisse erreicht werden konnten, mit hohen Steuereinnahmen für Staat und Kommunen. Diese helfen natürlich auch bei der Bewältigung der hohen Folgekosten für den Staat.
Und es war für uns Liberale auch ein Übergangsjahr, in die neue Bundesregierung, nach einem Wahlerfolg, nach professionellen und geräuschlosen Koalitionsverhandlungen, mit einem Koalitionsvertrag, der deutliche liberale Handschrift trägt.
Was ist nun zu tun – im Bund, im Land und im Landkreis, um wenigstens ab Frühjahr 2022 wieder in die Normalität zu kommen?
Der Druck auf mehr Impfungen ist richtig, wird aber nicht ausreichen. Wir müssen lernen, mit dem Virus umzugehen, ohne alles runterzufahren. Die negativen Auswirkungen von Lockdowns und Schulschließungen sind enorm und werden zu wenig thematisiert. Auf unser Impfzentrum werden wir weiterhin bauen müssen. Um die richtigen Maßnahmen zu treffen, brauchen wir mehr Transparenz bei den Daten. Der Fokus sollte nicht mehr auf den Inzidenzen liegen, sondern auf der Hospitalisierungsrate.
Die größte Sorge galt immer der Gesundheit in der Pandemie. Sind sie mit der Versorgung der Bürger zufrieden?
Die Versorgung mit Waren und Dienstleistungen war zu keinem Zeitpunkt über Gebühr eingeschränkt. Impfungen waren gut organisiert, jeder, der wollte, konnte auch schnell einen Termin haben.
Kritischer war schon die Versorgung im Krankenhaus, wenn geplante, wichtige Operationen (außerhalb von Corona) verschoben werden mussten.
Danke an alle Beschäftigten in diesen Bereichen!
Trotz der Sondersituation wegen Corona ist die Klinikfusion vorangeschritten. Sind Sie zufrieden mit dem Erreichten? Und wie muss es weitergehen?
Das ist für Außenstehende (ich bin nicht im Klinik-Verwaltungsrat) sehr schwer zu beurteilen, weil die Pandemiebewältigung alles überlagert. Es gibt fast keinen Normalbetrieb, da Corona Vorrang hat. Die Einnahmesituation ist nicht normal, stattdessen gab es staatliche Ausfallzuschüsse, eine Beurteilung, ob die Fusion finanziell vorangeschritten ist, ist daher sehr schwierig zu treffen. Inhaltlich ist aber schon positiv zu registrieren, dass die Zusammenarbeit MÜ-AÖ sehr intensiv ist, da hat die Pandemie das Zusammenwachsen gefördert. Die Klinikfusion bleibt eine gewaltige Aufgabe für das Management und alle Mitarbeiter, ich habe aber Verständnis, dass im letzten Jahr die Corona-Bewältigung Priorität einnehmen musste.
Wie muss es weitergehen: Man muss weiterarbeiten an der Zusammenlegung von Abteilungen, dem Abbau von Doppelvorhaltungen, dem Fokus auf die Qualität und der Effizienz von Abläufen. Kleine Häuser werden nicht mehr überlebensfähig sein. Wir müssen uns einstellen auf vermehrte ambulante Abwicklung, mit einer noch stärkeren Verzahnung von Krankenhaus und Ärzten.
Wie kann das Millionendefizit eingefangen werden, wie schnell muss und kann das gelingen?
Wir brauchen erst mal eine Bestandsaufnahme, eine „Corona-Inventur“: eine Bereinigung der Finanzkennzahlen um die Corona-Effekte, Berücksichtigung einer Veränderung der staatlichen Unterstützung nach Corona-Erkenntnissen und Hochrechnung der Fusionseffekte. Das muss alles zügig mit Zielwerten und Zielzeiten ergänzt werden. Ich wünsche mir hier mehr sichtbares Führen mit Zahlen.
Erst dadurch werden wir sehen, ob wir überhaupt jemals auf eine tragfähige finanzielle Basis kommen, ein geringer Millionenbetrag per anno wäre tragbar. Eine Ausrichtung aller Kapazitäten auf Extremsituationen wie eine Pandemie wird nicht sinnvoll und nicht finanzierbar sein. Mehrere Wortmeldungen meinerseits im Kreistag zu einer stärkeren wirtschaftlicheren Bewertung mit Zielzahlen der Fusion wurden bisher so beantwortet, dass der primäre Fokus der Fusion die Steigerung der Qualität sei und die Wirtschaftlichkeit dann schon komme, fundiertere Zahlen dazu, v.a. zu den finanziellen Zielen, wurden bisher nicht gezeigt (mag es aber im Verwaltungsrat durchaus geben).
Ebenfalls Millioneninvestitionen stehen in den Schulen an. Wie stellen sich hier die Prioritätensetzungen dar und mit welchen Realisierungszeitrahmen rechnen Sie?
Wichtig ist, dass wir jetzt eine Roadmap der Investitionen haben, dass wir einig sind, was wir die nächsten Jahre vorhaben. Und das ist der Fall: nach Neubau Pestalozzi-Schule, Turnhalle König-Karlmann und Neubau FOS beim Schulzentrum AÖ können wir endlich die Neuorganisation der Verkehre am Berufsschulzentrum (Stichwort Campus) und die Sanierung der Berufsschule angehen. Es war ein großer Erfolg im Kreistag im letzten Jahr, dass endlich eine gute Lösung für die Verkehrsproblematik präsentiert werden konnte: es ist ein zentrales Projekt, weil es sehr langfristig angelegt ist, sehr viele Optionen ermöglicht und viele Betroffene einbinden muss (Straßenverkehrsamt, Städte AÖ und NÖ, Kreis, Schulen). Zeitlicher Horizont: bis Ende der 20-er Jahre.
Damit das alles finanziert werden kann, braucht der Landkreis Geld. Die Gewerbesteuereinnahmen, insbesondere Burghausen, sind vielversprechend. Sehen Sie die Finanzierung gesichert?
Ja. In Summe kostet das viele Millionen, aber durch die notwendige zeitliche Staffelung wird es finanzierbar werden, wenn auch mit weiteren Krediten. Möglicherweise gibt es mehr staatliche Unterstützung als bisher geplant. Ferner relativiert sich die Verschuldung, weil die Projekte, die damit finanziert werden, ja auch sehr lange Bestand haben.
Wir sollten die weitere gute wirtschaftliche Entwicklung nicht für selbstverständlich nehmen. Insbesondere in der Dekarbonisierung stecken Chancen, aber auch Risiken für das Chemiedreieck. Was ist zu tun, wo sind Schwerpunkte zu setzen – Stichworte Wasserstofftechnologie und synthetische Kraftstoffe?
Wie lange die gute wirtschaftliche Entwicklung anhalten kann, ist fraglich. Extrem steigende Rohstoff- und Energiekosten, Störungen in der Lieferkette, bald steigende Zinsen und sicherlich auch steigende Lohnkosten trüben die Aussichten. Dazu kommen Unsicherheiten durch die geforderte Umstellung der Wirtschaft wegen des Klimawandels, mit negativer Auswirkung auf die Kaufkraft der Verbraucher.
Gerade deshalb ist es wichtig, ein Auge zu haben auf die Faktoren, die der Staat beeinflusst: Vermeidung von Zusatzbelastungen durch Steuern, Reduzierung von bürokratischen Aufschlägen auf Energiepreise, Förderung von Innovation, bei Offenheit für die Technologie, Kampf gegen Protektionismus im Ausland. Das alles wirkt sich auch auf uns im Chemiedreieck aus.
Das können wir vor Ort auch unterstützen, z.B. durch Ausweisung geeigneter Grundstücke (z.B. am Terminal in Burghausen). Welche Innovationen die Wirtschaft angehen muss, weiß sie selbst am besten.
Wichtig ist, dass die Rahmenbedingungen stimmen, insbesondere die Energieversorgung muss gesichert werden. Wie kann das glücken, wie können Widerstände etwa gegen Stromleitungen verhindert werden?
Der Koalitionsvertrag hat sich hier – auch nach Input durch die FDP – hohe Ziele gesetzt, ich denke dabei vor allem an die Halbierung der Genehmigungsdauern bei Großprojekten. Das beschleunigt die nötigen Umstellungen.
Und auch das regulatorische Umfeld hat sich etwas verändert, mit den jüngsten Vorschlägen der EU-Kommission zur Taxonomie von Gasenergie. Damit wird mehr Geld in den Neubau von Gaskraftwerken fließen. Vielleicht wird auch das OMV-Kraftwerk dadurch interessanter. Die Gaspipeline nach Russland wird benötigt und sollte in Betrieb gehen. Ohne Widerstände bei neuen Stromleitungen und Projekten wird es trotzdem nicht gehen. Auch die Gegner sollten erkennen, dass es uns nur solange gut geht, wie wir auch die Wirtschaft am Laufen halten können.
Welche Forderungen haben Sie an die neue Bundesregierung, damit das Bayerische Chemiedreieck weiterhin prosperieren kann?
Ich fordere von der Bundesregierung, dass sie die Ziele aus dem Koalitionsvertrag zügig angeht.
Der dort abgebildete Fokus auf Bildung, Innovationen, Digitalisierung, Klimaschutz und Investitionen in die Infrastruktur wird sich auch bei uns auswirken.
Gefordert ist insbesondere ein behutsames Umgehen mit Zusatzbelastungen für die Wirtschaft und Verbraucher im Zusammenhang mit dem Klimawandel.
Mit Diplomatie muss man gegen sich ausbreitenden Protektionismus vorgehen, für mehr Offenheit im Welthandel kämpfen.
Welche Erwartungen haben Sie für 2022? Was wünschen Sie dem Landkreis und seinen Bürgern für das neue Jahr? Und was wünschen Sie sich selbst?
Wir werden steigende Belastungen durch die Inflation bekommen. Und auch steigender Druck für alle durch die Belastungen, die der Klimawandel und der Kampf dagegen bringen wird.
Trotz der Herausforderungen bin ich zuversichtlich, dass man mit Gesprächen, mit Kompromissen, mit Innovationskraft vorankommt und wir so weiterhin in einem sehr attraktiven Landkreis Altötting leben können.
Ich erwarte ein Ende der Pandemie und eine Rückkehr zur Normalität.
Ich wünsche uns allen ein Ende der Pandemie, Gesundheit und ein weiteres Prosperieren der Wirtschaft im Landkreis, die uns ja den heutigen Wohlstand bringt.