FDP-Obmann im Untersuchungsausschuss Wirecard gibt Einblicke in einen Skandal
v.l.n.r.: Dr. Florian Toncar, MdB, mit Sandra Bubendorfer-Licht, MdB. Beide sind Kandidaten für die Bundestagswahl 2021
BURGHAUSEN – Die erste Pleite im DAX: 27 Milliarden Euro haben sich im Wirecard-Krimi in Luft aufgelöst. „Der Skandal ist die moderne Interpretation eines Bankraubs und hat das Vertrauen in den Finanzstandort Deutschland nachhaltig erschüttert“, erklärte Dr. Florian Toncar (42), FDP-Obmann im Wirecard-Untersuchungsausschuss, bei einem Vortrag vor rund 50 Zuhörern im Hotel Glöcklhofer in Burghausen. Es geht um ein „Verbrechen auf offener Bühne“, wie der finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsabgeordnete und Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Banken- und Finanzaufsicht betont. Die insolvente Wirecard AG mit Sitz in Aschheim bei München hat nach den heutigen Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft seit 2015 eines gewerbsmäßigen Bandenbetrug schuldig gemacht. Das Asiengeschäft des Finanzdienstleisters, der Zahlungssysteme anbot, sei mit einem Netz an Scheinfirmen komplett erfunden gewesen.
Nach einem Investigativ-Bericht der britischen Financial Times sei die Fachwelt hellhörig geworden. Wirecard habe er mit einem Heer an Lobbisten versucht, die Vorwürfe zu entkräften. So sei etwa Karl Theodor zu Guttenberg aktiv bei Kanzlerin Angela Merkel gewesen, um das China-Geschäft anzukurbeln. Im Juni 2020 war Schluss: Der Börsenwert in Höhe von 24 Mrd. Euro fiel in sich zusammen sowie weitere drei Milliarden Euro blieben als Schaden übrig. Verschiedene Behörden und die Abschlussprüfer hätten eklatante Versäumnisse begangen. Die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young hätten die Jahresabschlüsse über Jahre abgesegnet. Die Behörden hätten nach Ansicht von Toncar deutlich früher einschreiten müssen. Für Toncar gibt es eine politische Verantwortung des Finanzministeriums, das für die Finanzaufsicht Bafin und die Anti-Geldwäsche-Einheit FIU zuständige gewesen seien. Beide Stellen hätten sich nicht rechtzeitig um Aufklärung bemüht, sagt Toncar.
Die Heimatabgeordnete Sandra Bubendorfer-Licht warf ein, der Fall Wirecard mache deutlich, dass wieder einmal die „Kleinen“ gehängt werden, die Großen lasse man laufen. Als kleiner Bankkunde werden viele Dokumente verlangt, während Wirecard einen Milliardenkredit ohne besondere Prüfung bekommen habe. Nach dem Motto „zu groß, um zu fallen“, habe sich die Politik noch bemüht, Wirecard noch aus der Schieflage zu helfen. Dies konnte der Obmann im Untersuchungsausschuss nur bestätigen.
Es sei bedauerlich, so Toncar, dass Politiker der Bundesregierung sich nicht zu einer Selbstkritik hätten bewegen lassen. Die FIU habe Anfang 2019 von der Commerzbank den „perfekten Hinweis“ auf den Betrug erhalten, aber nichts veranlasst. Allein dafür hätte Vizekanzler Scholz drastische Konsequenzen ziehen müssen. Dass Scholz sich trotz der katastrophalen Fehler weigere, sich von den Staatssekretären Kukies und Bösinger zu trennen, spricht laut Toncar Bände: „Scholz war Teil des Problems.“ Entweder sei der Minister führungsschwach oder er war selbst viel tiefer mit dem Fall Wirecard befasst, als er bisher zugegeben hat.
Die FDP-Heimatabgeordnete Sandra Bubendorfer-Licht hatte den Fraktionskollegen aus dem Kreis Böblingen für den Vortrag in Burghausen gewonnen. Zunächst stand noch eine Führung durch weltweit längste Burg der Welt auf dem Programm.
Text und Bild: Josef König, Abgeordnetenbüro von Frau Sandra Bubendorfer-Licht, MdB